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Pressemitteilungen

Volksanwaltschaft | 20.05.2005 | 13:21

Immer mehr Fälle für die Volksanwältin

Tätigkeitsbericht im Landtag vorgestellt

Stirner Brantsch, Volgger und die Mitarbeiterinnen der VolksanwaltschaftZoomansichtStirner Brantsch, Volgger und die Mitarbeiterinnen der Volksanwaltschaft

Die Volksanwaltschaft ist in Südtirol eine relativ junge Einrichtung, aber die Zunahme der Fälle, die sie betreut – plus 45 Prozent in den letzten zehn Jahren -, zeigt, dass sie als wichtige Institution wahrgenommen wird. 2004 haben sich über 2.500 Bürger an die Volksanwältin und ihr Team gewandt, davon konnten 1.740 Fälle informell und ohne Akten erledigt werden. 78 Prozent der Fälle konnten positiv gelöst werden.
„Die Bürger wissen, dass sie Rechte haben, und nehmen die Entscheidungen der Verwaltung nicht mehr so ohne weiteres hin“, erklärt Volksanwältin Burgi Volgger die Zunahme der Fälle, „außerdem finden sich die Bürger in der Verwaltung immer schwerer zurecht.“ Die Volksanwaltschaft ist beim Südtiroler Landtag angesiedelt, aber per Gesetz in ihrer Tätigkeit „völlig frei, auch von jeder Einflussnahme durch die Parteien“, wie Landtagspräsidentin Veronika Stirner Brantsch betont. Sie sieht in der Zunahme der Fälle ein Zeichen, „dass die Bürger immer mündiger werden“.

Im Tätigkeitsbericht für den Landtag wird ein Überblick über diese Fälle gegeben, aber auch darüber, wie sich das Verhältnis zwischen Bürgern und Verwaltung sowie zwischen Verwaltung und Volksanwalt entwickelt hat.
So ist es gelungen, die Zusammenarbeit mit den Sanitätsbetrieben Bozen und Meran zu verbessern, wo sich nun eine Arbeitsgruppe um die Beschwerden der Patienten kümmert, die an die Volksanwaltschaft herangetragen wurden. Auch der Abbau von Spannungen in einigen Gemeinden, die bisher die Arbeit der Volksanwaltschaft als Einmischung gesehen haben, ist gelungen.
Von ihrem Amtsverständnis her sieht sich die Volksanwältin als Vermittlerin zwischen Bürgern und Verwaltung, sie hat überparteilich zu sein und nicht nach Schuldigen, sondern nach Lösungen zu suchen. Es geht auch darum, das Vertrauen der Bürger in die öffentliche Verwaltung wiederherzustellen. Dem im Wege steht (manchmal) nicht nur eine sture Verwaltung, sondern (manchmal) auch ein Bürger, der das Maß für gerechte Forderungen verloren hat. Diese Fälle sind wenige, aber sie beanspruchen Zeit und Energie, zu Lasten berechtigter Anliegen.
Rund ein Drittel der Bürger, die sich an die Volksanwaltschaft wenden, fühlen sich von der Verwaltung unkorrekt behandelt und wollen mit ihr, unterstützt von der Volksanwaltschaft, auf gleicher Augenhöhe reden. Ein weiteres Drittel sucht eine rasche, informelle und neutrale Beratung. Wieder andere befinden sich in einer privaten Notlage, die über das Verwaltungsrecht hinausgeht; hier versucht die Volksanwaltschaft, in Zusammenarbeit mit den Diensten im Sozialbereich eine Lösung zu finden.

Die Zahl der Akten, die die Landesverwaltung betreffen, geht langfristig zurück. Sie reichen vom Mobbing am Arbeitsplatz über die Unfallversicherung der Schulen bis zu den Empfängern einer Wohnbauförderung, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Die Zusammenarbeit mit der Landesverwaltung kann im Allgemeinen als gut bezeichnet werden, lediglich einzelne Schulen sehen die Intervention der Volksanwaltschaft als Einmischung. Seit fünf Jahren kümmert sich eine beauftragte Mitarbeiterin der Volksanwaltschaft um Patientenanliegen in den vier großen Krankenhäusern. In vielen Fällen half ein Gespräch zwischen Arzt und Patient, in einem besonders heiklen Fall wurde ein rechtsmedizinisches Gutachten in Mailand in Auftrag gegeben.
Die Volksanwaltschaft betreut nun auch über 70 Prozent der Gemeinden. Da das Land nicht mehr die Gesetzmäßigkeitskontrolle der Gemeindebeschlüsse durchführt, wenden sich die Bürger mit Beschwerden vermehrt an die Volksanwaltschaft. Der Großteil betrifft das Bauwesen. Vermehrt wurde die Volksanwaltschaft auch mit Enteignungen befasst, die seit 2001 Gemeindezuständigkeit sind, was eine einheitliche Anwendung der Gesetze erschwerte. Viele Beschwerden betrafen die Lärmbelästigung durch Gastbetriebe und andere öffentliche Lokale.
Die Zusammenarbeit mit den staatlichen Verwaltungen war gut. Ein beträchtlicher Teil betraf Fälle aus den Vorsorgekörperschaften Inpdap und Inps. Bei den privatisierten ehemaligen Staatsbetrieben Post, Bahn und Telecom wird der Kontakt oft dadurch erschwert, dass sie Direktionen in andere Regionen verlegt haben, was die Bearbeitung von Beschwerdeakten langwierig macht.

Derzeit stehen in Südtirol ein Kinder- und Jugendanwalt sowie ein Patientenanwalt zur Debatte. Die Landesregierung hat im Sommer 2004 eine Arbeitsgruppe mit einem Konzept für eine Kinder- und Jugendanwaltschaft betraut. Der Südtiroler Jugendring befürwortet einen Jugendanwalt nach österreichischem Muster. Dort hat dieser Kompetenzen, die ins Straf- und ins Zivilrecht so weit hineinreichen, wie es in Italien noch nicht möglich ist. Andererseits hat der Südtiroler Landtag bereits 1996 beschlossen, dass der Volksanwalt/die Volksanwältin einzelne Mitarbeiter mit spezifischen Angelegenheiten betraut, die Anliegen von Kindern und Jugendlichen betreffen. Diese Möglichkeit wurde bis heute nicht ausgeschöpft; es gibt eine Mitarbeiterin für Patientenanliegen, aber keine Beauftragte für Jugendanliegen. Die Volksanwaltschaft möchte den politischen Entscheidungsträgern nicht vorgreifen, fordert sie aber auf, grundsätzlich zwischen zwei Modellen zu wählen: eine eigene Kinder- und Jugendanwaltschaft oder einen Ausbau der bestehenden Volksanwaltschaft. Die Volksanwaltschaft sieht sich – bei genügender personeller Ausstattung – jedenfalls in der Lage, auch diesen Tätigkeitsbereich zu übernehmen. Das wäre schnell und ohne Gesetzesänderung möglich.
Die Volksanwältin unterstützt den Vorschlag einer Schlichtungsstelle für Patientenbeschwerden. Vor dieser Kommission, die aus Experten besteht, die von unabhängigen Institutionen ernannt wurden, können sich Patienten auch von der Volksanwaltschaft vertreten lassen. Wichtig scheint, dass die politisch Verantwortlichen zwischen der öffentlichen Rechtsschutzeinrichtung Volksanwaltschaft und im Gesundheitsbereich tätigen privaten Vereinen unterscheidet, deren Überparteilichkeit gesetzlich nicht abgesichert ist.

Der Tätigkeitsbericht der Volksanwältin wurde allen Landtagsabgeordneten ausgehändigt. Die politische Debatte darüber findet im Kollegium der Fraktionsvorsitzenden statt. Der vollständige Bericht ist auch im Internet unter www.volksanwaltschaft.bz.it zu finden.

(AM)

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